EU-Regularien zu Nachhaltigkeit

„Der Teufel steckt häufig im Detail“

Nachdem wir mit Christoph Krallmann (KPMG) zu den Themen „Greenwashing“ und Green Bonds gesprochen hatten, fokussierten wir uns im weiteren Gespräch auf die Europäischen Nachhaltigkeitsrichtlinien und -gesetzgebungen bei Finanzdienstleistungen.

14:09 Uhr | 05. September | 2023
Greenwashing
| Quelle: Oleksandr Khoma

Herr Krallmann, was würden Sie einem Versicherungsmakler im Hinblick auf die IDD, EU-Taxonomie- und EU-Offenlegungsverordnung raten? Was sind dabei die wesentlichen Faktoren, die für Makler relevant bleiben? 

Christoph Krallmann: Die allgemeinen Stoßrichtungen der verschiedenen Regularien sind es, Transparenz zu schaffen, Informationsasymmetrien zu minimieren und informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Mit diesem Grundgedanken ist das Verständnis der Verordnungen etwas leichter: Die Taxonomie-Verordnung beispielsweise klassifiziert Wirtschaftsaktivitäten (ergo die Versicherungsprodukte und Kapitalanlagen) für den Verbraucher in nachhaltig (Taxonomie-konform) oder nicht-nachhaltig (nicht-Taxonomie-konform). Die Offenlegungs-Verordnung legt offen, wie Nachhaltigkeitsrisiken in der Kapitalanlage der Unternehmen gelebt werden und wie sich dies auf Produktebene auswirkt.

Christoph Krallmann, Senior Manager bei KPMG

Christoph Krallmann, Senior Manager bei KPMG

| Quelle: KPMG

Damit der Verbraucher des jeweiligen Finanzproduktes einen transparenteren Einblick bekommt?

Krallmann: Richtig. Hiermit soll Transparenz darüber geschaffen werden, wie nachhaltig Investitionen bei den Unternehmen getätigt werden und wohin letztendlich das Geld der Versicherungsnehmer*innen fließt. Und drittens setzt die EU mit der IDD-Richtlinie am Vertriebsprozess an. Auch im Vertrieb ist es wichtig, Nachhaltigkeit adäquat zu erläutern und somit auch die Taxonomie-Verordnung beziehungsweise die Offenlegungs-Verordnung und ihre Bedeutung im Beratungsgespräch zu erläutern. So können Versicherungsnehmer*innen bewusst nachhaltige Entscheidungen treffen.

Sie unterstützen Versicherer dabei, die eben angesprochenen Regularien der EU umzusetzen. Mit welchen Fragen kommen Ihre Kunden, respektive die Produktgeber, dabei auf Sie zu? 

Krallmann: Das Thema Nachhaltigkeit hat sehr viele Facetten und zum Teil besteht auch ein unterschiedliches Verständnis davon, wie Nachhaltigkeit definiert ist. Das spiegelt sich auch in den Fragen unserer Kund*innen wider. Beispielsweise ist das Ziel der Taxonomie, eine einheitliche Definition hinsichtlich Nachhaltigkeit zu etablieren. Gleichzeitig ist diese Definition nicht immer deckungsgleich mit der Nachhaltigkeitsdefinition in anderen Regularien (beispielsweise der Offenlegungs-Verordnung). Wie diese verschiedenen Definitionen in Einklang gebracht und eventuelle Widersprüche in Regularien gelöst werden können, sind typische Fragen. Zudem sind die regulatorischen Anforderungen zum Teil sehr oberflächlich formuliert, sodass eine Vielzahl von Sonderthemen nicht klar geregelt sind und im Rahmen der Umsetzung geklärt werden müssen. Hier steckt der Teufel häufig im Detail. 

Wie ist der Eindruck entstanden, dass die Versicherungsbranche beim Thema Nachhaltigkeit noch hinterherhinkt? Wo doch eigentlich einige Versicherer in Deutschland im Hinblick darauf schon weiter sind, als vermutet. 

Krallmann: Der Druck bei den Unternehmen, nachhaltig zu handeln, entsteht häufig durch die Kund*innen. Dabei ist das Verständnis darüber, was Nachhaltigkeit beispielsweise bei einem Automobilkauf oder beim Kauf von Möbeln oder Kleidung bedeutet, deutlich ausgeprägter als das Verständnis darüber, was eine Versicherung mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Das liegt zum einen daran, dass Versicherungen über ihre Kapitalanlage eher unsichtbar für die Kund*innen nachhaltiges Wirtschaften fördern können. Zum anderen ist der Schutz vor negativen Auswirkungen, zum Beispiel durch Stürme, Hagel und so weiter, schon immer das Geschäftsmodell von Versicherungen. Hier ist Nachhaltigkeit seit Beginn ein wichtiger Bestandteil der DNA von Versicherungen. Es fällt einigen Häusern bisher schwer, dies den Kund*innen noch besser mitzuteilen. Jedoch zeigt sich auch hier immer mehr der Wandel. Die Versicherungen nehmen deutlich mehr Mühen auf sich, die Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Produkte klarer und besser in Richtung Versicherungsnehmer*innen zu kommunizieren.

Vielen Menschen fällt es schwer zu verstehen, wie eine nachhaltige Versicherung aussehen kann. Wo ist die Verbindung zwischen Finanzprodukt und nachhaltiger Wirkung?

Krallmann: „Nachhaltigkeit“ hängt bei den Versicherungen natürlich von der Art der angebotenen Versicherung ab, zum Beispiel gibt es Unterschiede zwischen einer Lebensversicherung und einer Kaskoversicherung 

Bei der Lebensversicherung zahlt man – allgemein gesprochen – als Versicherungsnehmer*in Geld an das Versicherungsunternehmen. Das Versicherungsunternehmen legt das Geld entsprechend des geschlossenen Vertrages an. Das Geld kann dabei – vereinfacht gesprochen – entweder in beispielsweise fossilen Brennstoff oder in erneuerbare Energien angelegt werden. Je nach dem hat das Geld dann eine nachhaltige Wirkung.

Lässt sich der Kundenbeitrag ins Detail in Bezug auf den „grünen Impact“ nachverfolgen? 

Krallmann: Der Begriff „Impact“ fasst die Nachhaltigkeit nochmal enger und fordert einen positiven Beitrag in Bezug auf ESG-Aspekte. Das wird aktuell noch selten angeboten, da die Regulatorik hier sehr streng ist. Bei einer Schaden- oder Unfall-Versicherung kann eine nachhaltige Wirkung zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Werkstätten bestehen, die eher reparieren als direkt eine neue Scheibe einbauen oder beispielsweise ihre Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. 

Gab es seit August 2022 eine neue Anpassung oder sogar positive Entwicklung hinsichtlich der Präferenzen-Abfrage?

Krallmann: Tatsächlich haben wir im August 2022 wahrgenommen, dass eine große Unsicherheit hinsichtlich der Umsetzung der Präferenzen-Abfrage existierte. In einigen Fällen wurde die Präferenzen-Abfrage schlichtweg nicht rechtzeitig oder nur zum Teil umgesetzt. Wir gehen aber davon aus, dass mittlerweile die meisten Unternehmen die Präferenzen-Abfrage ausreichend in den Vertriebsprozessen umgesetzt haben.