Sustainable Finance

„Das Thema Greenwashing bleibt relevant“

Von Green Bonds über das immense Kapitalanlagevolumen der Versicherer bis hin zum Problem des „Greenwashing“ – darüber sprachen wir mit Christoph Krallmann (KPMG).

08:08 Uhr | 02. August | 2023
Christoph Krallmann, Senior Manager bei KPMG

Christoph Krallmann, Senior Manager bei KPMG

| Quelle: KPMG

Herr Krallmann, was können Sie mir zu sogenannten Green Bonds erzählen? 

Christoph Krallmann: Der erste Green Bond wurde im Jahr 2007 emittiert. Seitdem ist das Volumen deutlich gestiegen, im Vergleich zum Gesamtmarkt aber noch relativ gering. Die Deutsche Bundesbank gibt in ihrem Green Bond Monitor für grüne Anleihen einen Anteil von 0,9 Prozent am globalen Kapitalmarkt an. Green Bonds zeichnen sich im Wesentlichen dadurch aus, dass die investierten Gelder zur Finanzierung von Projekten mit nachhaltigem Fokus verwendet werden.

Und wer macht die Vorgaben?

Krallmann: Das tun beispielsweise die Green Bond Principles (GBP) und die Climate Bonds Standards (CBS). Auch die EU entwickelt im Rahmen ihrer Sustainable Finance Agenda einen Green Bond Standard. Dazu haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament im Februar eine vorläufige Einigung über die Einführung europäischer grüner Anleihen (EuGB) erzielt. Im Wesentlichen sollen sich diese dadurch auszeichnen, dass die investierten Gelder in Taxonomie-konforme Aktivitäten fließen. 

Welche Verantwortung sieht die KPMG bei den Finanzmarktakteuren in Bezug auf die Klimaziele der EU?

Krallmann: Genau wie die EU sind wir der Ansicht, dass die Finanzmarktakteure eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Klimaziele spielen. Ein wesentlicher Aspekt des EU-Aktionsplans ist die Umlenkung der Kapitalströme in nachhaltige Investitionen. Dadurch kann die Finanzwirtschaft zum einen dazu beitragen, die Transformation der Wirtschaftsaktivitäten zu finanzieren, die notwendig ist, um die Klimaziele zu erreichen.

Was ist mit Versicherungsprodukten?

Krallmann: Neben den Investitionsaktivitäten der Versicherungswirtschaft spielen dabei natürlich auch die Versicherungsprodukte eine zentrale Rolle – einerseits hinsichtlich des Schutzes vor den Folgen von eintretenden Klimaereignissen und andererseits hinsichtlich der Anpassung an den Klimawandel, beispielsweise durch die Förderung von Präventionsmaßnahmen.

Nennen Sie mir ein paar Zahlen und Fakten, die belegen, dass der finanzielle Hebel der Versicherungsgesellschaften im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele der EU immens ist.

Krallmann: Versicherer sind mit einem Kapitalanlagevolumen von 1.811 Milliarden Euro einer der größten institutionellen Investoren in Deutschland und spielen somit eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung, um die Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen. Aktuell sind nur etwa 25 Prozent der klimabedingten Katastrophenschäden in der EU versichert.

Woran liegt das?

Krallmann: Es ist häufig der Fall, dass die Kosten klimabedingter Schäden unterschätzt werden. Hier haben Versicherer einerseits die Aufgabe Versicherungsschutz anzubieten und so etwaige Versicherungslücken zu verkleinern. Andererseits müssen sie Menschen darüber aufklären, welche Kosten klimabedingte Schäden mit sich bringen können und wie diese durch geeignete Versicherungslösungen und Präventivmaßnahmen in ihren Auswirkungen reduziert werden können.

Die KPMG arbeitet sowohl in der Beratung als auch aus Wirtschaftsprüfer-Sicht nachhaltig – mit dem gleichen Zukunftsgedanken?

Krallmann: Für uns als Unternehmen ist der eigene Beitrag zur Förderung von Nachhaltigkeit strategisch und moralisch wichtig. Daher legen wir in unserem Nachhaltigkeitsbericht auch einen großen Fokus auf unseren eigenen Impact – wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen. Neben dem Anspruch an uns selbst, möchten wir auch mit unseren Dienstleistungen unsere Kund*innen unterstützen, Nachhaltigkeit aktiv zu gestalten – sei es in der Beratung oder in der Wirtschaftsprüfung.

Thema Greenwashing – wird es weniger oder bleibt es im Berater- und Vermittlerwesen weiterhin brandaktuell?

Krallmann: Jede neue Regulatorik stellt neue Anforderungen an die Unternehmen, wodurch wieder neue Fragen und Interpretationsspielräume entstehen – und damit einhergehende Unsicherheiten. Die bereits bestehenden EU-Regularien mit ESG-Bezug werden ständig um neue nachhaltigkeitsbezogene Regularien ergänzt. Ein Beispiel für eine solche Regulatorik ist der Vorschlag für die Green Claims Directive. Der Vorschlag wurde am 23. März 2023 von der EU-Kommission veröffentlicht. Mit der Richtlinie möchte die EU explizit Greenwashing bekämpfen. Das bedeutet: Was als umweltfreundlich beworben wird, muss dies tatsächlich auch sein – Unternehmen müssen dies belegen können.

Da sonst Strafen drohen...

Krallmann: Die Nichteinhaltung der Green Claims Directive kann perspektivisch zu Strafen führen, wie zum Beispiel Geldstrafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes in betroffenen Mitgliedstaaten. Dies zeigt, dass das Thema Greenwashing nach wie vor sehr relevant ist, wenn auch je nach Branche und Regulatorik anders gelagert.