Elementarschutz

„Wald verringert die Gefahr von Hochwasserspitzen”

Die diesjährigen Naturkatastrophen in Bayern haben die Debatte um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wieder aufflammen lassen. Erik Butans, Vorstand der PRIMO Versicherungsmakler AG, sprach mit uns über das Konfliktpotenzial – und klärte zum Thema Waldabsicherung auf.

09:07 Uhr | 08. Juli | 2024
Erik Butans, Versicherungsmakler bei der PRIMO Versicherungsmakler AG.

Erik Butans ist Versicherungsmakler und bekleidet aktuell die Position des Vorstands der PRIMO Versicherungsmakler AG.

| Quelle: Nico Maurer

Herr Butans, nach den jüngsten Überschwemmungen wird öffentlich über Pflichtversicherungen gegen Elementarschäden diskutiert – nicht zum ersten Mal. Wie stehen Sie dazu? 

Erik Butans: Im Endeffekt geht es doch beim Thema Pflichtversicherung um die Frage: „Wer soll das bezahlen?“ Da die Bundesländer im Hinblick auf den Hochwasserschutz überwiegend weiterhin Defizite aufweisen und teilweise bis in die jüngste Zeit hinein noch Bauland in überschwemmungsgefährdeten Gebieten ausgewiesen wurde, sahen sie sich bei den letzten Hochwasserereignissen stets gezwungen, massive Hilfszahlungen an die betroffenen Gebäudebesitzer auf den Weg zu bringen. Daher überrascht mich auch die derzeit einhellige Zustimmung aller Länderchefs zum Thema Pflichtversicherung nicht. Doch auch eine Pflichtversicherung wäre bildlich gesprochen nur ein Pflaster auf eine große Wunde, wenn man den Hochwasserschutz nicht auf den nötigen Stand bringt. 

Wie könnte das gelingen? 

Erik Butans: Dazu würde im Einzelfall sicher auch ein Rückbau in Überschwemmungsgebieten gehören. Mit solchen harten Entscheidungen gewinnt man als Politiker jedoch keine Wahlen. Und selbst eine Pflichtversicherung für Wohngebäude, wie sie aktuell – mal wieder – in der Diskussion ist, greift zu kurz. Was ist mit den vielen Gebäuden in öffentlicher Hand wie Schulen, Kindergärten und Verwaltungen? Was ist mit der Infrastruktur wie Straßen, Brücken und Schienen, was mit den Gebäuden von Gewerbe und Industrie? 

Als Vorstand eines Versicherungsmakler-Unternehmens haben Sie täglich Kontakt mit verschiedenen Versicherern. Wie beurteilen Sie die aktuelle Haltung der Unternehmen hinsichtlich eines potenziellen Pflichtschutzes? 

Erik Butans: Bereits nach der Ahrtal-Katastrophe 2021 hatte der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. ein Konzept vorgelegt, welches jedoch von der Politik nicht aufgegriffen wurde. Da aber eine Pflichtversicherung erst einmal nur ein Schlagwort ist, käme es im konkreten Fall darauf an, wie sie umgesetzt werden soll. Dazu gäbe es zunächst eine ganze Reihe von Fragen zu klären, bevor man sich zu solch einer Versicherung positionieren kann.  

Welche Fragen meinen Sie konkret? 

Erik Butans: Erstens – in welcher Größenordnung beteiligt sich der Staat an der geplanten Pflichtversicherung, wenn Gebäude der Hochwasser-Risikogruppe Zürs 4 ohne ausreichenden Hochwasserschutz dann im Rahmen solch einer Pflichtversicherung versichert wären? Eine wichtige Frage, denn ohne staatliche Beteiligung würden die Prämien und Belastungen für Gebäudebesitzer sowie Mieter wohl ins Unermessliche steigen. Zweitens: Wer soll Träger einer solchen Versicherung sein? Schaffen wir neue Institutionen, die das Ganze weiter verteuern (Stichwort Kindergrundsicherung) oder nutzen wir die bestehenden Strukturen der Versicherungswirtschaft? Wie strukturiert man den Risikoausgleich? Geht man hier den Weg eines bundesweiten Risikoausgleichs – senkt man damit nicht das Interesse der einzelnen Bundesländer an einem effektiven Hochwasserschutz? Und drittens: Wie erhält man das Interesse der Gebäudeeigentümer in Hochrisikozonen – zum Beispiel über Selbstbeteiligungsregelungen – an individueller Risikovorsorge? Wenn das Risiko zukünftig bei der Versichertengemeinschaft abgeladen wird, so sinkt naturgemäß die Bereitschaft, eigenes Geld für nötige Vorsorgemaßnahmen in die Hand zu nehmen. Wo setzt man hier die Schmerzgrenzen an? Der Teufel steckt wie immer im Detail!

Auch eine Pflichtversicherung wäre bildlich gesprochen nur ein Pflaster auf eine große Wunde, wenn man den Hochwasserschutz nicht auf den nötigen Stand bringt.
Erik Butans

Im Rahmen von Projekten der Waldaufforstung sind Sie mit bessergrün in Verbindung gekommen. Warum liegt Ihnen diese Verbindung besonders am Herzen – und wie genau ist sie entstanden? 

Erik Butans: Ich verfolge die Arbeit von bessergrün schon länger. So hatte ich 2023 zum Beispiel die Gelegenheit, im Rahmen des „Projekts Ostfriesland“ die Taucher von „Ghost Diving Germany“ bei ihrer Jagd nach Geisternetzen auf die Nordsee zu begleiten. Zu sehen, wie diese Profis durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit die Welt ein Stückchen besser machen, spornt an, auch im eigenen Tun nicht nachzulassen. Deshalb bin ich froh, bessergrün bei ihrer Suche nach Flächen für Waldaufforstungsprojekte unterstützen zu können. 

Kann nachhaltige Waldpflege und Aufforstung dazu beitragen, Wälder effektiver gegen Waldbrände und Hochwasser zu schützen? 

Erik Butans: Wir Menschen haben den Wald viel zu lange nur als Ressource gesehen und behandelt. Wenn wir den Wald erhalten wollen, so werden wir um Themen wie Wiederaufforstung und vor allem Waldumbau nicht herumkommen. Den Wald müssen wir dabei in den meisten Fällen nicht vor Hochwasser schützen. Bei Starkregen schützt er eher uns Menschen – oder eben nicht, wenn er nicht mehr da oder bereits zu geschädigt ist. Wald verringert die Gefahr von Hochwasserspitzen, Sturzfluten und Erosionen. Den Menschen muss endlich klar werden, dass Investitionen in Vorsorge auf Dauer die preiswerte Lösung sind. Mit dem Schutz des Waldes schützen wir uns im Endeffekt selbst. 

Welche Versicherungsstrategien und Produkte sind für Waldbesitzer essenziell wichtig – und welche Versicherungen werden erfahrungsgemäß am häufigsten abgeschlossen? 

Erik Butans: Wie eigentlich immer, geht es bei den essenziellen Versicherungen zunächst erst einmal immer um das Thema Haftpflicht. Aus unserer täglichen Arbeit können wir bestätigen, dass dies auch die Masse der Schadensfälle im Bereich der forstwirtschaftlichen Risiken ausmacht. Auch hier spüren wir übrigens bereits die Auswirkungen des Klimawandels, da durch die immer häufiger auftretenden Sturmereignisse auch die Anzahl der Anspruchstellungen gegenüber Waldbesitzern – zum Beispiel für Schäden durch umgestürzte Bäume – extrem zugenommen hat. Was die Absicherung des Waldes selbst angeht, so stehen hier ganz klassisch weiterhin eine Absicherung gegen Waldbrände und Sturmereignisse im Mittelpunkt der Nachfrage. Bewirtschaftet der Waldbesitzer seine Waldflächen selbst, so kommen dann auch noch Themen wie zum Beispiel die Absicherung der Forsttechnik über eine Maschinenversicherung oder auch eine Absicherung für sich und die Angestellten über eine Spezialstrafrechtsschutz-Deckung dazu.

Wir Menschen haben den Wald viel zu lange nur als Ressource gesehen und behandelt. Wenn wir den Wald erhalten wollen, so werden wir um Themen wie Wiederaufforstung und vor allem Waldumbau nicht herumkommen.
Erik Butans

Können sich Waldbesitzer auch gegen Naturgefahren wie Hochwasser durch Versicherungen absichern? 

Erik Butans: Sturm ist ja eine klassische Naturgefahr und gegen diese kann man sich auch recht gut versichern. Ich hatte bisher jedoch in über 30 Jahren Berufsleben als Versicherungsmakler noch keine Anfrage nach einer Hochwasserabsicherung eines Waldes auf dem Tisch. Es mag sein, dass es hierfür Angebote seitens der Versicherungswirtschaft gibt. Die Nachfrage sollte jedoch überschaubar sein. Ich hatte die Frage jüngst erst mit einem sehr großen Mandanten aus dem forstwirtschaftlichen Bereich erörtert, der hier auch kein großes Schadenpotential sieht. Der Wald überlebt das Hochwasser in der Regel – der Mensch im Zweifel nicht. 

Welche besonderen Risiken und Herausforderungen sollten Versicherungsmakler berücksichtigen, wenn sie Versicherungslösungen für kleine private Waldbesitzer im Vergleich zu großen kommunalen Waldbesitzern entwickeln? 

Erik Butans: Kleine und mittlere forstwirtschaftliche Mandanten haben zumeist Waldbestände mit lokaler Ausdehnung. Da können Schadenereignisse wie Waldbrände oder Stürme schnell zu einem Totalschaden am Waldbesitz führen und somit ein existenzielles Risiko darstellen. Große forstwirtschaftliche Mandanten haben meist ausgedehnte Waldbestände und somit nicht die lokale Konzentration. Sie verzichten daher bisher oft auf eine Absicherung ihrer Waldbestände gegen die Risiken Feuer und Sturm, da sie eine Art Risikoausgleich im eigenen Unternehmen haben. Ob hier im Zuge der Auswirkungen des Klimawandels eine Neupositionierung zu erwarten ist, kann aktuell nur schwer eingeschätzt werden, da mit zunehmenden Schäden sicher auch die nötigen Prämien für die Absicherung über eine Versicherungslösung steigen werden. 

Erik Butans, geboren in Jena, schloss 1991 sein Studium an der Humboldt-Universität Berlin als Diplomkriminalist ab und arbeitet seit 1992 im Versicherungswesen. Seit 2013 ist er Vorstand der PRIMO Versicherungsmakler AG und besitzt zusätzliche Abschlüsse als Versicherungskaufmann und Versicherungsfachwirt (IHK). Er ist verheiratet und stolzer Vater zweier Kinder. Erik Butans betreibt zudem drei Photovoltaikanlagen und rüstet nach und nach auf Wärmepumpen um. Seit zweieinhalb Jahren fährt er begeistert Elektroauto.