Herr Baer, was ist jungen Menschen in Deutschland im Hinblick auf finanzielle Nachhaltigkeit wichtig?
Gottfried Baer: Die Frage ist sehr berechtigt. Heute geht es den jungen Menschen nicht mehr alleine darum, dass ihr Geld nach zugrundeliegenden Ausschlusskriterien angelegt wird. Dass Investitionen nicht bei Chemikalien-Herstellern, Suchtmittel-Konzernen oder in der Rüstungsindustrie landen sollen – diese Haltung in der deutschen Gesellschaft ist schon lange Standard. Viel wichtiger ist den Menschen heute doch, welchen positiven Impact ich mit meiner Geldanlage bewirke.
Im Falle eines Endkunden-Versicherungsbeitrags – ist die „nachhaltige” Wirkung überhaupt messbar?
Baer: Nein. Die Wirkung – das ist leider so – ist bei einem Einzelkundenvertrag so gut wie nicht messbar. Das, was beim Versicherer vom Versicherungsbeitrag übrigbleibt, – in anderen Worten das, was er davon nachhaltig anlegen kann – ist relativ gering. In der Summe aller Verträge ergeben sich allerdings gesamt gesehen größere Anlagebeträge.
Trotzdem bleibt der „Gewinn“ aus einem Einzelvertrag für den Versicherer marginal. Warum ist das so?
Baer: Versicherer lagern das Risiko in der Regel auf einen Rückversicherer aus. Ein großer Teil des Einzelkundenbeitrags geht also als Prämie an den Rückversicherer. Zusätzlich trägt der Versicherer eigene Kosten für die Verwaltung des Vertrages – Personal- und IT-Kosten beispielsweise. Des Weiteren fällt die Courtage für den Makler an, die im Schnitt 20-25 % des Kundenbeitrags beträgt. Somit bleibt kalkulatorisch wenig Marge, die für den Versicherer als „Gewinn” übrigbleibt.

Sie bieten Beratung hinsichtlich Vermögensverwaltung, nachhaltige Geldanlagen und Altersvorsorge, sowie Versicherungen und Immobilienfinanzierung an. Immer mit demselben Nachhaltigkeitsgedanken?
Baer: Unser Fokus in der Beratung ist die ganzheitliche Beratung von Privatmandaten. Deswegen brauchen wir die gesamte Fülle an Finanzthemen. Von der Sachversicherung über Private Krankenversicherung (Zusatz-, oder Vollversicherung) bis hin zur Altersvorsorge, Versicherungsprodukte, Investment, sonstige Geldanlagen und Immobilienfinanzierung. Wir müssen aber festhalten: Letztendlich können wir leider nicht in allen Facetten nachhaltige Produkte anbieten, weil sie der Markt nicht zur Verfügung stellt.
Wie meinen Sie das?
Baer: Es gibt eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Wo es mittlerweile gut geht, das ist der Bereich der Privaten Sachversicherungen. Da gibt es – Gott sei Dank – einige Versicherer, die nachhaltige Tarife anbieten. Unternehmen wie u.a. bessergrün sind da zu nennen. Zudem ist man in der Altersvorsorge weiter, weil viele Lebensversicherer „grüne“ Tarife oder entsprechende nachhaltige Fonds bei ihren fondsgebundenen Rentenversicherungsmodellen anbieten. Wenn wir aber von Absicherungsthemen sprechen, die die Person angehen (Personenabsicherung) – nehmen wir beispielsweise das Thema Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) – da wird es schwierig.
Können Sie in dem Zusammenhang noch andere Versicherungen nennen?
Baer: Es gibt da einige. Denn das Gleiche gilt für die Private Kranken-, Zusatz- oder Vollversicherung. Die Qualität im Preis spielt dabei eine vordergründige Rolle. Die Nachhaltigkeit ist untergeordnet, weil der Markt keine entsprechenden Tarife hergibt. Das gilt auch für Risikolebensversicherungen. Bei Immobilien-Finanzierungen bleiben nachhaltige Lösungen von Banken „dünn gesät“. Auch hier müssen wir leider auf die konventionellen Anbieter im Bankenvergleich zurückgreifen. Im Bereich der Geldanlage und der Investmentfonds ist der nachhaltige Mehrwert hingegen wunderbar abbildbar, genauso wie bei sonstigen Beteiligungen im Sachwertbereich – Investments im Solar- und Windkraftbereich miteingeschlossen.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview erfolgte im Sommer 2023 und wurde ursprünglich am 18. Juli 2023 veröffentlicht.